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Materialversorgung über eKanban

Schlanke Prozesse mit System

Schlanke Prozesse im Sinne von Lean Manufacturing und Fertigungs-IT schließen sich nicht wirklich gegenseitig aus. Das Beispiel eKanban zeigt, wie sich Lean-Methoden und der Einsatz eines Manufacturing Execution-Systems sogar harmonisch ergänzen.

Bild: MPDVBild: MPDV

Die Selbstregelung der Fertigung mithilfe des Kanban-Prinzips reduziert den Planungs- und Steuerungsaufwand in der Regel deutlich. Auch die Reaktionsfähigkeit der Produktion kann durch die Anwendung der Methode ausgebaut werden. Dennoch hat das Prinzip einige Schwachstellen - die sich durch geeignete IT-Unterstützung weitgehend vermeiden lassen.

Bild: MPDVBild: MPDVBild: MPDVBild: MPDV
Die elektronische Kanbantafel im Manufacturing Execution-System Hydra von MPDV.

Produktionssteuerung nach den Push- & Pull-Prinzipien

Zur Steuerung der Produktion gibt es die Strategien Push und Pull. Beim Push- oder Schiebeprinzip werden in einer übergeordneten Ebene Vorgaben erstellt, die dann in der Fertigung umzusetzen sind. Das Ziel ist, den Auftrag so durch die Produktion zu 'schieben', dass er zum geplanten Termin fertig ist. Beim Pull- oder Ziehprinzip löst ein Kundenauftrag einen Bedarf an der im Materialfluss vorgelagerten Stelle aus.

Supermärkte in der Fertigung

Ein aus Japan stammender Vorschlag zur Implementierung des Pull-Prinzips wird als Kanban-Methode bezeichnet. Die Methode wurde Anfang der 60er Jahre als Teil des Toyota Produktionssystems entwickelt. Der gesamte Materialfluss im Unternehmen wird dabei wie in einem Supermarkt organisiert. In den Regalen steht ein bestimmter Vorrat an Produkten. Der Verbraucher entnimmt die Produkte in der Menge, in der er sie benötigt. Die so entstandene Lücke wird so schnell wie wirtschaftlich sinnvoll wieder aufgefüllt. Der Vorteil von Kanban liegt darin, dass es mit einem geringen Steuerungsaufwand auskommt und auf sehr einfachen Regelmechanismen aufbaut. An dieser Stelle kann vom Prinzip der Selbstregelung gesprochen werden, da sich das Fertigungssystem im Falle einer Störung ohne Eingriff von außen reguliert. Nach der Entnahme eines Materials aus dem Kanban-Supermarkt im dritten Arbeitsgang (im oberen Bild auf der rechten Seite als AG 3 dargestellt) wird dies in Form einer Kanban-Karte oder eines leeren Kanban-Behälters dem produzierenden Arbeitsgang 1 mitgeteilt. Mit Arbeitsgang 1 und 2 wird das entnommene Material wieder nachproduziert und damit der Kanban-Supermarkt wieder gefüllt. In der Praxis wird dieses Prinzip häufig noch um eine Ampelsteuerung für den produzierenden ersten Arbeitsgang erweitert. Damit wird bewirkt, dass nicht wegen jeder einzelnen Karte beziehungsweise für jeden Behälter nachproduziert werden muss, sondern erst dann, wenn eine sinnvolle Losgröße zusammenkommt. Die Farbkodierung Grün signalisiert genügenden Bestand im Supermarkt, es darf nicht produziert werden. Bei Gelb darf produziert werden und bei rot muss produziert werden, da sonst der Bestand ausgehen würde. Zu den Vorteilen einer solchen Kanban-Steuerung zählen die Reduzierung des Planungsaufwandes, der Durchlaufzeiten, Bestände und Kapitalbindung. Zudem können Betriebe schnell auf Bedarfsänderungen reagieren und ihre Flexibilität verbessern.

Bild: MPDVBild: MPDV
Kanban-Regelkreise kommen meist mit geringem Steuerungsaufwand aus, da sie auf vergleichsweise einfachen Mechanismen basieren.

Risiken aufgrund fehlender Verknüpfung

Durch die fehlende Verknüpfung zum Unternehmens- beziehungsweise Fertigungsmanagement birgt das Kanban-Prinzip aber auch einige Risiken und Schwachstellen:

  • • Wenige Informationen zum aktuellen Auftragsfortschritt
  • • Geringe Transparenz über die Materialverbräuche, da Kanban-Materialien meist verzögert retrograd in den Systemen abgebucht werden
  • • Kaum Transparenz zur tatsächlichen Belastung von Produktionskapazitäten durch Kanban-Aufträge. Das tritt auf, wenn Produktionskapazitäten belastet, aber nicht verbucht werden
  • • Eine ungeplante Belastung von Produktionskapazitäten durch Kanban-Aufträge zerstört die Feinplanung der Produktion mit Aufträgen aus nicht Kanban-gesteuerten Artikeln
  • • Produktionszeiten und Stillstände sind nicht bekannt, die Möglichkeiten zur Auswertung von Produktionsstatistiken und Optimierung der Kanban-Parameter sind nicht gegeben
  • • Die Erweiterung der Kanban-Regelkreise auf externe Lieferanten ist schwierig
  • • Keine Möglichkeit der Traceability, also der Rückverfolgbarkeit
Bild: www.isa-95.comBild: www.isa-95.com
Die internationale Industrienorm ISA-95 beschreibt Szenarien zur Integration von Unternehmens- und Betriebsleitebene. Aufgrund der Granularität der Zeitschiene von Level 3 lassen sich Kanban-Regelkreise in der Produktion an dieser Stelle vergleichsweise g

Das eKanban-Prinzip in der Praxis

Durch eKanban, die elektronische Variante des Kanban, lassen sich viele der Nachteile vermeiden. Eine für die Abbildung der elektronischen Kanban-Prozesse geeignete strategische Softwareebene ist der Level 3 'Manufacturing Operations Management' nach ISA S95 (Grafik auf der folgenden Seite). Hier passt sowohl die inhaltliche Ausrichtung als auch der betrachtete Zeithorizont von Sekunden, Minuten, Stunden und Schichten. Auf dieser Level 3-Ebene werden vielerorts bereits Manufacturing Execution-Systeme (MES) zur Datenerfassung sowie zur Fertigungssteuerung eingesetzt. Damit steht die erforderliche Hardware wie Werkerterminals, Barcode-Scanner und RFID-Schreib-/Lesegeräte häufig schon zur Verfügung. eKanban-Module, wie sie auch im MES Hydra von MPDV integriert sind, bieten zahlreiche Funktionen zur Unterstützung dieser Regelkreise:

1. Stammdatenverwaltung - Um das Kanban-Prinzip in der IT zu verankern, müssen die zu installierenden Regelkreise im System angelegt werden. Hierzu gehören die Quellen, also die produzierenden Arbeitsplätze und die Puffer - die Kanban-Supermärkte. Hinzu kommen mit den Senken die verbrauchenden Arbeitsplätze, die Anzahl der Kanbans im Regelkreis sowie die jeweiligen Behältermengen.

2. Kanban am Terminal leeren - Sobald ein Behälter aus dem Supermarkt geleert wurde, muss die Entnahme dem System mitgeteilt werden. Hierzu kann der Barcode auf dem Kanban-Behälter gescannt, ein RFID-Chip ausgelesen oder eine Meldung am Werker-Terminal ausgelöst werden.

3. Kanbanaufträge erzeugen - Basierend auf den gemeldeten Entnahmen aus dem Kanban Supermarkt erzeugt das System automatisch, oder bei Bedarf manuell, entsprechende Kanbanaufträge. Durch diese frühe Erzeugung von Kanbanaufträgen können benötigte Materialien im Enterprise Resource Planning-System zeitnah reserviert werden.

4. Elektronische Kanbantafel - Auf einer elektronischen Kanbantafel wird dem produzierenden Arbeitsplatz nach dem Ampelschema grafisch signalisiert, welches Kanban-Material nachproduziert werden muss, nachproduziert werden darf oder noch nicht nachproduziert werden darf. Somit haben Werker das Produktionsgeschehen stehts im Blick.

5. Kanbanbehälter befüllen - Zum Befüllen eines Kanbanbehälters startet der Werker den Auftrag an seinem Terminal manuell oder per Scan des Barcodes auf dem leeren Behälter. Optional kann eine neue Kanbankarte gedruckt werden, um das Material im Behälter zu identifizieren - etwa bei einem nicht geschlossenen Behälterkreislauf.

6. Regelkreise verbessern - Durch die Integration der Kanban-Funktionalitäten in das MES verfügt das System über zahlreiche Informationen, um die Kanban-Parameter zu optimieren. Dazu zählen Min-/Max-Bestände des Supermarkts, Durchlaufzeit im Kanban-Kreislauf, aktuelle und geplante Abgänge an der Senke, durchschnittliche Reichweiten der Supermärkte, Rüst- und Bearbeitungszeiten an der Quelle und vieles mehr.

eKanban im Manufacturing Execution System

Durch die elektronische Abbildung des Kanbanprozesses ergeben sich folgende Vorteile:

  • • Mehr Transparenz hinsichtlich des aktuellen Auftragsfortschritts
  • • Präzisere Informationen zum Materialbedarf und -verbrauch
  • • Übersichtlichkeit, was die Belastung von Produktionskapazitäten durch Kanban-Aufträge betrifft
  • • Elektronisch verfügbare Kanbanaufträge lassen sich bei der Feinplanung regulärer Aufträge in der MES-Plantafel berücksichtigen
  • • Informationsgrundlage zur Verbesserung der Kanban-Parameter
  • • Unterstützung bei Erweiterungen der Kanban-Regelkreise auf externe Lieferanten
  • • Rückverfolgbarkeit eingesetzter Materialien

Mit Blick auf die Entwicklung hin zu einer Industrie 4.0 dürfte die Vernetzung von Fertigung und Materialfluss immer wichtiger werden. eKanban-Funktionalitäten sind ein wichtiger Schritt in Richtung Autonomie in der Produktion bei gleichzeitiger Verbesserung von Übersichtlichkeit, Reaktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit. Um wettbewerbsfähig zu produzieren, braucht es allerdings meist mehr als einen optimierten Materialfluss. Wenn diese Prozesse über ein integriertes MES abgebildet werden, liegt es nahe, auch andere Funktionen der produktionsnahen Anwendungen auszureizen.

Systemfunktionen von produktionsnahen Lösungen

MES-Lösungen wie Hydra vereinen ein breites Feld an unterstützenden Funktionen für die Fertigung. Die erfassten Betriebs-, Maschinen-, Werkzeug-, Personal- und Qualitätsdaten können für übergreifende Auswertungen verdichtet und korreliert werden. Ziel ist dabei, mehr Übersichtlichkeit herzustellen, um die Reaktionsfähigkeit der Regelkreise zu verbessern und die Produktion so effizienter zu gestalten. Zentrale Aufgaben für ein MES definiert die VDI-Richtlinie 5600:

  • • Feinplanung und Feinsteuerung - Reihenfolgeoptimierung der anstehenden Aufträge unter Berücksichtigung von Abhängigkeiten, Randbedingungen und Zielvorgaben
  • • Betriebsmittelmanagement - Verwaltung und Verplanung von Maschinen, Werkzeugen und Hilfsmitteln zur Abarbeitung der geplanten Aufträge
  • • Materialmanagement - Verwaltung, Transport und Bereitstellung von Materialbeständen in der Fertigung
  • • Personalmanagement - Planung des Personaleinsatzes unter Berücksichtigung von Qualifikationen und Auftragslage
  • • Datenerfassung - als Vorstufe für andere Aufgaben erfassen die Systeme Daten entlang der Wertschöpfungskette und führen eine Plausibilitätsprüfung aus
  • • Leistungsanalyse - Berechnung und Bereitstellung von Kennzahlen und Auswertungen zur Beurteilung der aktuellen und historischen Performance, oft auch mit einem Soll-Ist-Vergleich
  • • Qualitätsmanagement - Sicherung der Prozessqualität durch Planung und Durchführung von Qualitätsprüfungen in der Produktion und fertigungsnahen Bereichen wie dem Wareneingang
  • • Informationsmanagement - Steuerung des Informationsflusses in die und aus der Produktion

An der Erweiterung der VDI 5600 um zwei Aufgabenfelder wird zur Zeit gearbeitet:

  • • Energiemanagement - Planung und Auswertung von Energieverbräuchen inklusive deren verursacherbezogenen Verbuchung
  • • Auftragsmanagement - Verwaltung der auftragsrelevanten Daten. Hierbei handelt es sich um die Zusammenfassung von Funktionen, die bisher über zahlreiche VDI 5600-Aufgabenfelder verteilt sind

MES-Lösungen können in der Produktion als zentrale Informations- und Datendrehscheibe fungieren, unterstützen aber auch kontinuierliche Verbesserungsprozesse. Auch wenn nur wenige Systeme auf dem Markt alle VDI-Aufgaben in ganzer Breite abdecken, tragen sie in der Regel viel zur Steigerung der Transparenz und Effizienz in der Produktion bei. Zudem können die Werkzeuge etwa eingesetzte Lean-Methoden um Echtzeit-Datenerfassung und -auswertung ergänzen. Erst in ihrem Zusammenspiel entfalten diese Instrumente den bestmöglichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Fertigungsbetriebes.

MPDV Mikrolab GmbH

Dieser Artikel erschien in IT&PRODUCTION November 2014 - 10.11.14.
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