Gemeinde zeigt Möglichkeiten der Wärmewende
Nahwärmenetz intelligent visualisiert und gesteuert
Sozialverträglicher Klimaschutz, gepaart mit regionaler Wertschöpfung: In der Gemeinde Eurasburg bei Augsburg ist das mehr als nur Theorie. In enger Zusammenarbeit zwischen Kommunalpolitik und lokalen Handwerksbetrieben wurde ein Nahwärmenetz realisiert, das heute schon 60 Gebäude über eine Hackschnitzel-Anlage versorgt und in vielen Fällen die alten Ölheizungen ersetzt. Danfoss lieferte die Übergabestationen sowie die Software zur Visualisierung und Steuerung des Netzes.
Im Wittelsbacher Land nahe Augsburg ist ein Nahwärmenetz auf Basis einer Hackschnitzel-Anlage entstanden, das als Musterlösung für die Wärmewende im ländlichen Raum gelten kann. Was in vielen Debatten Theorie bleibt, die vielbeschworene Verbindung von Klimaschutz und regionaler Wertschöpfung, ist hier Realität: Verantwortlich für Planung, Errichtung und Betrieb des Netzes ist ein Heizungsbauer aus dem Nachbarort, als Brennstoff-Lieferant fungiert ein ortsansässiger Hackschnitzel-Produzent, das Holz stammt aus dem Gemeindeforst. Für überregionales Flair sorgen hier lediglich die heiztechnischen Lösungen - darunter Übergabestationen sowie Visualisierungs- und Steuerungssoftware von Danfoss. Als 2018 nach einer Heizungslösung für den Erweiterungsbau der Kindertagesstätte gesucht wurde, stand für die kommunalpolitischen Entscheidungsträger von vorneherein fest, dass nur eine Heizung auf Basis Erneuerbarer Energien in Frage kam. Die Wärmepumpe sei dabei 'kein Thema' gewesen, erinnert sich Bürgermeister Paul Reithmeir. "Im Gemeinderat ist vielmehr relativ schnell die Entscheidung gefallen: Wir gehen auf Hackschnitzel". Ein Wärmenetz war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geplant - doch als das Vorhaben bekannt wurde, so Reithmeir, seien von Bürgerseite rasch die ersten Anfragen gekommen, 'ob man sich an so eine Hackschnitzel-Heizung nicht anschließen könne'. Tatsächlich gab es auch in vielen Haushalten Bedarf an einer neuen Heizungslösung, da die bestehenden Ölheizungen in die Jahre gekommen waren und ausgetauscht werden mussten.
Nahwärme mit Hackschnitzel-Anlage
So reifte die Idee, das Konzept zu erweitern und ein Nahwärmenetz mit zentraler Hackschnitzel-Anlage in Angriff zu nehmen. Ein Infoabend im Rathaus zeigte dann, dass großes Interesse an der geplanten Dorfheizung bestand. Tatsächlich passte das Vorhaben sehr gut zu Eurasburg, dessen Gemeindefläche zu annähernd 60 Prozent von Wald bedeckt ist. "Der Rohstoff", so Reithmeir, "kann uns eigentlich nie ausgehen". Die Bedenken, ob es möglich sein könnte, die Bestandsgebäude des Ortes mit Wärmepumpen zu beheizen, waren demgegenüber weitaus größer. Woher diese Bedenken rührten, erläutert Heiztechniker Michael Gail aus dem benachbarten Friedberg: "Die bestehenden Gebäude sind überwiegend recht alt und wurden nie saniert; sie haben veraltete Heizkörper, und es gibt oft weder eine Dämmung noch moderne Fenster. Hier kann man aktuell keine Wärmepumpen empfehlen - sie wären kaum wirtschaftlich zu betreiben, weil der Heizwärmebedarf zu hoch ist". Vom Eurasburger Gemeinderat als Heizungsexperte konsultiert, sprach sich deshalb auch Gail - dessen Firma schon mehrere biogasbasierte Wärmenetze realisiert hatte - für ein Nahwärmenetz auf Basis einer Hackschnitzel-Anlage aus.
Umsetzung in lokaler Eigenregie
Der Eurasburger Gemeinderat entschied sich nach Absage eines überregionalen Energieversorgers für eine Umsetzung in lokaler Eigenregie. Michael Gail und seine Heizungsfirma erklärten sich bereit, das geplante Wärmenetz auf eigene Rechnung zu realisieren und zu betreiben und erhielten Anfang 2020 grünes Licht für das Vorhaben - unter der Bedingung, alle öffentlichen Gebäude der Gemeinde mit anzuschließen. Die Vorfinanzierung des Projekts gelang dann u.a. mithilfe einer BAFA-Förderung für das Heizhaus mit Hackschnitzel-Anlage und einer KfW-Förderung für das Verteilnetz. Rund ein Drittel der Projektkosten konnte so letztlich über Fördermittel gedeckt werden. Gemeinsam mit lokalen Planern und Bauunternehmern realisierte die Fa. Gail binnen weniger Monate das komplette Netz - von der Grundplanung über den Bau des Heizhauses und die Verlegung der Rohrleitungstrassen bis zur Installation der Übergabestationen bei den einzelnen Anschlussnehmern. Schon Ende 2020 konnte dann der erste und mit etwa 300kW Heizlast auch größte Abnehmer - die nahe dem Heizhaus gelegene Grundschule samt Mehrzweckhalle - über eine Direktleitung mit Wärme versorgt werden. Mitte 2021 waren die Rohrleitungen komplett verlegt und alle Netzanschlüsse vorhanden. Da manche Teilnehmer zunächst noch Restölmengen verheizten, wurden die Anschlüsse jedoch erst nach und nach aktiviert, bis Anfang 2023 alle Anschlussnehmer am Netz waren. Für den Netzbetrieb wurde mit der MG Energie GmbH eine eigene Betreibergesellschaft gegründet, die mit allen Anschlussnehmern die zunächst auf zehn Jahre befristeten Abnahmeverträge schließt.
Erweiterungen bereits in Planung
Aktuell versorgt das Eurasburger Nahwärmenetz insgesamt 60 Gebäude, darunter neben Grundschule und Mehrzweckhalle noch weitere Großabnehmer wie Feuerwache, Rathaus und Kindertagesstätte. Eine Erweiterung um 20 zusätzliche Anschlussnehmer ist bereits in Planung und kann auf Basis der bestehenden Hackschnitzel-Anlage im Heizhaus realisiert werden. Diese verfügt über eine Gesamtleistung von etwa 1MW, aufgeteilt auf drei Hackschnitzel-Kessel mit je 330kW Leistung und Laufzeitabgleich sowie drei Pufferspeicher mit je 10.000l Fassungsvermögen, die zu einem einzigen Speicher zusammengeschaltet sind und Bedarfsspitzen abfedern können. Die Aufteilung auf drei Kessel plus Puffersystem stellt auch bei Ausfall eines der Kessel die Versorgung sicher. Die Auslastung der Anlage liegt aktuell bei etwa 70 Prozent, was Spielraum für die geplante Erweiterung lässt. Für die Zukunft wird darüber hinaus noch über die Ergänzung durch eine Solaranlage nachgedacht. Ein entscheidender Aspekt des Eurasburger Wärmenetzes: Die angeschlossenen Gebäude müssen keine speziellen Voraussetzungen in puncto Effizienzklasse erfüllen. Das gibt den Eigenheimbesitzern Zeit, energetische Sanierungen Schritt für Schritt zu realisieren. "Wir können die Temperatur so gestalten, dass es auch für nichtsanierte Gebäude funktioniert", unterstreicht Martin Gail, Juniorchef der Fa. Gail und der MG Energie. An kalten Wintertagen fahren die Betreiber mit 85 bis 90°C VLT (Vorlauftemperatur) in die Leitungen, bei komfortablerer Witterung genügen 75 bis 78°C - bei einem Nenndruck von jeweils 3 bar und einer Pumpenfördermenge von durchschnittlich 25 bis 30m3/h (maximal wären bis zu 40m3/h möglich). Der Nenndruck im Rücklauf beträgt 2 bar, der Differenzdruck somit 1 bar. Gut sind die Spreizungsparameter des Netzes: Die Rücklauftemperatur liegt im Schnitt nur bei etwa 48 bis 50°C, bei hoher VLT bei maximal 55°C. Transportverluste bereits eingerechnet, wird also eine Spreizung von etwa 30 Kelvin erreicht.
"Ein Partner, auf den wir uns verlassen können"
Verantwortlich für diese Wärmeübergabe sind die Danfoss Übergabestationen, die von der Fa. Gail bei allen Wärmenetz-Teilnehmern installiert wurden und die Danfoss Außendienstler Michael Ziegler den lokalen Heizungsspezialisten erstmals vorgestellt hatte. "Im persönlichen Gespräch ist Vertrauen entstanden", erinnert sich Michael Gail, "und uns war klar: Das ist ein Partner, auf den wir uns verlassen können". Im weiteren Planungsverlauf wurden dann für alle Gebäude gemeinsam die passenden Stationslösungen ausgesucht. "In Gebäuden mit bis zu 30kW Heizlast sind Stationen vom Typ VXe Solo im Einsatz, in größeren Gebäuden mit 30 bis 100kW Heizlast DSA1 Mini Stationen", erläutert Ziegler. "Für Anschlussnehmer mit über 100kW Heizlast schließlich haben wir individuelle, frei geplante Stationen realisiert." Microplate Wärmetauscher stellen in allen installierten Übergabestationen eine effektive Wärmeübergabe sicher. Mithilfe selbstständiger Volumenstromregler mit integriertem Motorstellventil übernehmen die Stationen auch den hydraulischen Abgleich des Netzes. Um eine optimale Visualisierung und Steuerung des Netzes zu ermöglichen, wurden alle Übergabestationen über die verlegten Modbus-Kabel in die cloudbasierte Danfoss Steuerungssoftware Leanheat Monitor integriert. "Diese Software war ebenfalls einer der Gründe, warum wir uns für Danfoss entschieden haben", so Martin Gail. "Denn es war mir wichtig, per Knopfdruck die Zähler- und Reglerdaten auslesen und Einstellungen vornehmen zu können". Aufgrund der Cloudanbindung sei es darüber hinaus möglich, zu jeder Zeit und von jedem Ort auf die Übergabestationen zuzugreifen. Da die Leanheat Software-Lizenzen differenziert erweitert werden können, lässt sich auch die Einbindung weiterer Stationen kostengünstig realisieren. Darüber hinaus, ergänzt Michael Ziegler von Danfoss, könne der Anwender aus den gewonnen Daten Rückschlüsse auf Optimierungspotenziale ziehen.
Unabhängig und regional
Doch auch die beste Übergabestation und der effizienteste Netzbetrieb nutzen am Ende nur wenig, wenn die Wärmequelle ins Stocken kommt. Dafür, dass genau das nicht passiert, sorgt in Eurasburg der ortsansässige Hackschnitzellieferant Josef Bertele. Im Durchschnitt alle 14 Tage befüllt er das Reservoir des Heizhauses mit rund 170 Schüttraummetern Hackschnitzel - eine Menge, die dem Brennwert von mehr als 14.000l Heizöl entspricht. Das angelieferte Holz stammt überwiegend aus dem Eurasburger Forst, wobei Bertele Wert auf die Feststellung legt, dass für die Hackschnitzelproduktion nicht eigens Bäume geschlagen werden. "Wir verwenden neben Abfällen der industriellen Holzverarbeitung nur Stumpf- und Wipfelholz, das erst gar nicht verarbeitet werden kann - sowie Schadholz, das ebenso unbrauchbar ist und oft zwingend aus dem Wald entfernt werden muss". Da das Holz permanent nachwächst und im Zuge der Forstwirtschaft kontinuierlich Abfallprodukte entstehen, wird bei der Hackschnitzelverwertung letztlich eine regenerative Energiequelle angezapft, die keine Vergleiche scheuen muss. Der CO2-Ausstoß des Verbrennungsprozesses liegt weit hinter dem fossiler Brennstoffe und ist nur geringfügig höher als die Emissionen, die beim Verrotten des Holzes im Wald entstehen. In Eurasburg ist so letztlich eine Nahwärmelösung entstanden, die Klimaschutz mit regionaler Wertschöpfung und sozialverträglicher Umsetzung verbindet und die Wärmewende so zur Win-Win-Situation für alle macht.
Sozialverträglicher Klimaschutz, gepaart mit regionaler Wertschöpfung: In der Gemeinde Eurasburg bei Augsburg ist das mehr als nur Theorie. In enger Zusammenarbeit zwischen Kommunalpolitik und lokalen Handwerksbetrieben wurde ein Nahwärmenetz realisiert, das heute schon 60 Gebäude über eine Hackschnitzel-Anlage versorgt und in vielen Fällen die alten Ölheizungen ersetzt. Danfoss lieferte die Übergabestationen sowie die Software zur Visualisierung und Steuerung des Netzes.
Im Wittelsbacher Land nahe Augsburg ist ein Nahwärmenetz auf Basis einer Hackschnitzel-Anlage entstanden, das als Musterlösung für die Wärmewende im ländlichen Raum gelten kann. Was in vielen Debatten Theorie bleibt, die vielbeschworene Verbindung von Klimaschutz und regionaler Wertschöpfung, ist hier Realität: Verantwortlich für Planung, Errichtung und Betrieb des Netzes ist ein Heizungsbauer aus dem Nachbarort, als Brennstoff-Lieferant fungiert ein ortsansässiger Hackschnitzel-Produzent, das Holz stammt aus dem Gemeindeforst. Für überregionales Flair sorgen hier lediglich die heiztechnischen Lösungen - darunter Übergabestationen sowie Visualisierungs- und Steuerungssoftware von Danfoss. Als 2018 nach einer Heizungslösung für den Erweiterungsbau der Kindertagesstätte gesucht wurde, stand für die kommunalpolitischen Entscheidungsträger von vorneherein fest, dass nur eine Heizung auf Basis Erneuerbarer Energien in Frage kam. Die Wärmepumpe sei dabei 'kein Thema' gewesen, erinnert sich Bürgermeister Paul Reithmeir. "Im Gemeinderat ist vielmehr relativ schnell die Entscheidung gefallen: Wir gehen auf Hackschnitzel". Ein Wärmenetz war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geplant - doch als das Vorhaben bekannt wurde, so Reithmeir, seien von Bürgerseite rasch die ersten Anfragen gekommen, 'ob man sich an so eine Hackschnitzel-Heizung nicht anschließen könne'. Tatsächlich gab es auch in vielen Haushalten Bedarf an einer neuen Heizungslösung, da die bestehenden Ölheizungen in die Jahre gekommen waren und ausgetauscht werden mussten.
Danfoss GmbH
Dieser Artikel erschien in GEBÄUDEDIGITAL 6 (Oktober) 2023 - 07.11.23.Für weitere Artikel besuchen Sie www.gebaeudedigital.de