Quantensprung der Rechenleistung
Technologie mit disruptivem Potenzial
Quantencomputing könnte das Lieferkettenmanagement revolutionieren. Denn es ermöglicht eine schnellere und genauere Analyse komplexer Datensätze, löst bislang unlösbare Optimierungsprobleme und könnte Lieferketten besser absichern. Nikhil Malhotra von Tech Mahindra erläutert die Grundlagen hinter dieser Art zu rechnen und wie dies künftig das Supply Chain Management voranbringen könnte.
Quantencomputing (QC) hat das Potenzial, die Wirtschaft in ähnlichem Maße zu verändern, wie es in den vergangenen Jahren durch KI bereits geschehen ist. Einer der ersten und wichtigsten Anwendungsbereiche für Quantencomputer wird in den kommenden fünf Jahren das Lieferkettenmanagement (LKM) sein. Quantencomputer nutzen die Funktionsprinzipien der Quantenmechanik, um Berechnungen durchzuführen und Probleme zu lösen, die für klassische Rechner zu komplex sind. Entscheidend für die Entwicklung von Quantenrechnern sind technische und politische Faktoren: verbesserte Kühltechnologien und Quantenalgorithmen, dazu mehr Investitionen und mehr Anwendungen und damit Erfahrungen mit dieser Technologie.
Was ist ein Quantencomputer?
Die logische Struktur und Architektur heutiger Computer besteht aus dem binären System aus Nullen und Einsen - eine universelle Sprache, ein Symbolsystem, in das sich alles übersetzen lässt: von Bild und Ton über Schrift und Sprache bis zu unserem metrischen Zahlensystem. Dieses reicht von der Null bis zur Neun und wird in Deutschland als arabisch bezeichnet, obwohl es in Wahrheit aus Indien stammt. Da es sich bei Null und Eins um Stellen oder Ziffern (Digits) handelt, sprechen wir von Digitalität. Einem Computer-Bit entspricht dabei die Aussage oder die 'Entscheidung' des Computers, ob an einer bestimmten Stelle eine Null oder eine Eins stehen muss - damit beispielsweise eine Rechnung aufgeht oder ein Bild richtig wiedergegeben wird.
Was hält die Welt zusammen?
Die Quantenwelt hingegen ist eine Welt der Wahrscheinlichkeit, in der ein Bit gleichzeitig 0 oder 1 sein kann. Erst wenn wir das Bit beobachten, können wir seine wahre Natur erkennen. Ein Quantensystem befindet sich so lange in einem Quantenzustand, wie es nicht klassisch gemessen wird. Erst durch die Messung verlässt es den Geltungsbereich der Quantenmechanik und kollabiert in einen klassischen, eindeutigen Zustand. Diese Erkenntnisse gehen auf die Forschung von Albert Einstein und Werner Heisenberg zurück, die vor mehr als 100 Jahren die Beschaffenheit von Licht untersuchten. Viele erinnern sich heute fasziniert, andere mit Ratlosigkeit an das sogenannte Doppelspaltexperiment aus dem Physikunterricht: Licht erscheint hier entweder in Gestalt von Teilchen (Photonen) oder einer elektromagnetischen Welle - abhängig davon, welche Art der Beobachtung gewählt wird.
Nutzen trotz Wissenslücken
Bis heute ist es der heilige Gral der Naturwissenschaften, diese Gesetze der Quantenmechanik mit den klassischen Naturgesetzen wie der Gravitation in Einklang zu bringen, denen die Welt im Großen gehorcht - von der Rotation der Planeten bis zu unserem Leben auf der Erde. Doch obwohl wir nicht wissen, wo (und warum) die Grenze zwischen der Welt der Elementarteilchen und unserer verläuft, können wir die Funktionsprinzipien der Quanten hier und jetzt für uns nutzen. Das ist in etwa so, als könnten wir ein Elektroauto ins Mittelalter teleportieren: Die Menschen wüssten nicht, warum es fährt - aber dennoch würde es sie von A nach B bringen.
Zustände überlagern sich
Ähnlich wie ein Auto oder Flugzeug zu einem Pferd verhält sich die Geschwindigkeit eines Quantencomputers zu der eines Binärrechners. Während zwei Bits in der klassischen Welt vier Kombinationen erlauben (01, 10, 00 oder 11), entspricht ein Quantenbit (auch Qubit genannt) durch die Möglichkeit der Überlagerung beider Zustände allen möglichen Kombinationen aus Zahlen > 0 und < 1. Durch jedes zusätzliche Qubit wächst die Rechenleistung exponentiell, sodass 193 herkömmliche Bits benötigt würden, um ein einziges Qubit zu codieren. Anders gesagt: Während ein klassischer 32-Bit-Rechner eben genau 32 Berechnungen gleichzeitig ausführen kann (32 mal 01 oder 10), ist ein 32-Qubit-Computer zu 320 Milliarden Berechnungen gleichzeitig in der Lage. Das entspricht der Anzahl der Sterne in unserer Galaxis.
Welchen Gesetzen folgen Raum und Zeit?
Neben dieser sogenannten Überlagerung existiert in der Quantenwelt das noch wesentlich mysteriösere Phänomen der Verschränkung. Von den Pionieren der Teilchenphysik um Einstein und Heisenberg wurde es als spukhafte Fernwirkung bezeichnet. Die Verschränkung tritt nur im Quantenraum, also auf Ebene der Elementarteilchen, auf und verblüfft die Wissenschaft seit mehr als 100 Jahren. Normalerweise werden Teilchen in diesem Universum als Paare erzeugt. Die Paare sind durch eine Eigenschaft des Teilchens unterscheidbar, sei es Spin oder Ladung. Das beobachtete Verschränkungsprinzip besagt, dass ein verschränktes Teilchen genau das Spiegelbild der Daten erhält, die auf sein Partnerteilchen übertragen werden, selbst wenn sich beide Teilchen an den entgegengesetzten Enden des Universums befinden. Information kann also mittels verschränkter Teilchen ohne Zeitverlust über beliebige Distanzen transportiert werden, was nicht nur die Lichtgeschwindigkeit als absolute Grenze nivelliert, sondern gar das Prinzip von Raum und Zeit widerlegt und die grundlegenden Gesetze des Universums infrage stellt.
Anwendung in der IT-Sicherheit
Ähnlich wie im Bild des Autos im Mittelalter gleicht die Technologie der Quantenverschränkung einem Raumschiff aus der Zukunft, das wir plötzlich vor unserer Haustür finden: Auch wenn wir nicht verstehen, wie es funktioniert, können wir einiges damit anfangen. Etwa auf dem Gebiet der Cybersicherheit. Stellen wir uns zwei Schlüssel vor, die als Paar hergestellt werden. Selbst wenn ein Hacker in der Lage wäre, einen der Schlüssel exakt zu reproduzieren: Sobald er eines der Originale lokalisiert, registriert das verschränkte System das unmittelbar und kann entsprechend geändert werden.
Tunnelbau statt Bergsteigen
Quanten-Tunneling ist ein weiteres Phänomen des Quantensystems, das sich hervorragend für moderne KI-Anwendungen eignet. Ähnlich wie Überlagerung und Verschränkung ist es aber nicht intuitiv. Da wir mit diesen ganz realen Phänomenen in unserer Welt keine Erfahrungen haben, widersprechen sie oft dem, was wir den gesunden Menschenverstand nennen. Wir müssen schlicht akzeptieren, dass auf der Ebene der Elementarteilchen andere Naturgesetze herrschen als in unserer 'großen' Welt. Stellen wir uns vor, ein Ball rollt auf einen Hügel zu. Da Teilchen in der Quantenwelt auch als masselose Welle existieren, besteht die geringe Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen auf der anderen Seite des Hügels erscheint - und zwar ohne die erforderliche kinetische Energie zu haben, über den Hügel zu rollen. Es rollt den Hügel also nicht hinauf, sondern formt gewissermaßen einen Tunnel, durch den es die andere Seite erreicht.
Neues globales Optimum
Zentrale Funktionsweise von KI und Machine Learning ist das sogenannte Gradientenverfahren. Es wird in der Numerik eingesetzt, um allgemeine Optimierungsprobleme zu lösen und das sogenannte Globale Optimum zu ermitteln. Dabei schreitet man von einem Startpunkt aus entlang einer Abstiegsrichtung, bis keine numerische Verbesserung mehr erzielt wird - als würde man den Hang eines Hügels hinabschreiten. Das Tunneling könnte diesen Prozess maßgeblich verkürzen, da zur Ermittlung eines Lokalen Optimums das Gefälle des Hügels keine natürliche Grenze mehr darstellt. Er könnte direkt durchtunnelt werden und das bisherige Verfahren des Gradientenabstiegs revolutionieren. Diese Technik könnte auch dabei helfen, schnell ein Globales Optimum zu bestimmen und nicht bei lokalen Optima zu verharren.
Zur praktischen Anwendung
Die Wirtschaft in Deutschland und Europa leidet noch immer unter den Folgen, die Corona besonders für die asiatischen Märkte hatte. Die jüngste Halbleiter- und Medikamentenkrise hat uns vor Augen geführt, dass weiterhin wichtige Rohstoffe fehlen. Deshalb ist ein Lieferkettenmanagement, das möglichst weit in die Zukunft plant, heute für Unternehmen wichtiger denn je. Auf diesem Gebiet kann Quantencomputing, das heute in der Erforschung von Elementarteilchen oder bei der Herstellung von Krebsmedikamenten zum Einsatz kommt, praktische Lösungen für Unternehmen bieten. Bereits heute kann es im Lieferkettenmanagement folgende Bereiche voranbringen:
Optimierung: Quantencomputer können bei der Verbesserung von Lieferkettennetzwerken helfen, indem sie komplexe Probleme lösen, die klassische Computer nicht bewältigen. Das betrifft beispielsweise Lieferketten-Routing, Bestandsmanagement und Produktionsplanung.
Bedarfsprognose: Durch die Analyse komplexer Muster und die Verarbeitung großer Datenmengen kann das Quantencomputing die Genauigkeit von Nachfrageprognosen verbessern. Dies kann Lieferkettenmanagern bei Entscheidungen rund um Bestandsplanung, Produktionsplanung und Vertrieb unterstützen.
Simulation: Mit Quantencomputern lassen sich Lieferkettenszenarien simulieren und Reaktionsstrategien testen. Das kann Lieferkettenmanagern helfen, die Wirkung von Entscheidungen zu bewerten und Strategien zu ermitteln.
Risikomanagement: Durch die Analyse großer Datenmengen und die Vorhersage potenzieller Störungen können durch Quantencomputing Risikofaktoren in der Lieferkette erkannt und vermieden werden.
Kryptographie: Das Quantencomputing kann auch die Lieferkettensicherheit erhöhen, indem es die Verschlüsselungstechniken verbessert. Die Quantenkryptographie nutzt die Prinzipien der Quantenmechanik, um unknackbare Codes zu erzeugen, die zum Schutz von Lieferkettendaten und zur Sicherung von Transaktionen beitragen.
Angebote von Tech Mahindra
Das Supply-Chain-Angebot NXT.Now von Tech Mahindra deckt Bereiche von Planung und Ausführung über Einkauf, Vertragsmanagement und Lieferung bis Aftersales und Controlling ab. Mit seinen Dienstleistungen im Segment Quantencomputing will der indische Konzern das Lieferkettenmanagement seiner Kunden um bislang ungeahnte Möglichkeiten erweitern. Neben der Lieferkettenoptimierung bietet das Unternehmen Quantencomputing auch für Aufgaben mit Anlagenportfolios, in der Betrugsprävention, für maßgeschneiderte Werbung und die Früherkennung von Wetterereignissen in der Landwirtschaft und im Katastrophenschutz an.
Ungeahnte Möglichkeiten
Die Nutzung des Quantencomputers wird in Zukunft Erstaunliches hervorbringen. Computer könnten Fragen über sich selbst und ihre Umgebung mit noch nie dagewesener Genauigkeit, Transparenz und Zuverlässigkeit beantworten. Die Leistung von Algorithmen könnte die ihrer Schöpfer übertreffen. Quantencomputing ist auch deshalb so attraktiv, weil es komplexe Probleme schneller und mit geringerem Ressourcenverbrauch löst als jedes Lebewesen und jede andere Maschine auf der Welt. Wie diese unfassbare Rechenleistung in Verbindung mit künstlicher Intelligenz die Welt verändern wird, können wir heute nur erahnen.
Quantencomputing könnte das Lieferkettenmanagement revolutionieren. Denn es ermöglicht eine schnellere und genauere Analyse komplexer Datensätze, löst bislang unlösbare Optimierungsprobleme und könnte Lieferketten besser absichern. Nikhil Malhotra von Tech Mahindra erläutert die Grundlagen hinter dieser Art zu rechnen und wie dies künftig das Supply Chain Management voranbringen könnte.
Quantencomputing (QC) hat das Potenzial, die Wirtschaft in ähnlichem Maße zu verändern, wie es in den vergangenen Jahren durch KI bereits geschehen ist. Einer der ersten und wichtigsten Anwendungsbereiche für Quantencomputer wird in den kommenden fünf Jahren das Lieferkettenmanagement (LKM) sein. Quantencomputer nutzen die Funktionsprinzipien der Quantenmechanik, um Berechnungen durchzuführen und Probleme zu lösen, die für klassische Rechner zu komplex sind. Entscheidend für die Entwicklung von Quantenrechnern sind technische und politische Faktoren: verbesserte Kühltechnologien und Quantenalgorithmen, dazu mehr Investitionen und mehr Anwendungen und damit Erfahrungen mit dieser Technologie.
Was ist ein Quantencomputer?
Die logische Struktur und Architektur heutiger Computer besteht aus dem binären System aus Nullen und Einsen - eine universelle Sprache, ein Symbolsystem, in das sich alles übersetzen lässt: von Bild und Ton über Schrift und Sprache bis zu unserem metrischen Zahlensystem. Dieses reicht von der Null bis zur Neun und wird in Deutschland als arabisch bezeichnet, obwohl es in Wahrheit aus Indien stammt. Da es sich bei Null und Eins um Stellen oder Ziffern (Digits) handelt, sprechen wir von Digitalität. Einem Computer-Bit entspricht dabei die Aussage oder die 'Entscheidung' des Computers, ob an einer bestimmten Stelle eine Null oder eine Eins stehen muss - damit beispielsweise eine Rechnung aufgeht oder ein Bild richtig wiedergegeben wird.
Was hält die Welt zusammen?
Die Quantenwelt hingegen ist eine Welt der Wahrscheinlichkeit, in der ein Bit gleichzeitig 0 oder 1 sein kann. Erst wenn wir das Bit beobachten, können wir seine wahre Natur erkennen. Ein Quantensystem befindet sich so lange in einem Quantenzustand, wie es nicht klassisch gemessen wird. Erst durch die Messung verlässt es den Geltungsbereich der Quantenmechanik und kollabiert in einen klassischen, eindeutigen Zustand. Diese Erkenntnisse gehen auf die Forschung von Albert Einstein und Werner Heisenberg zurück, die vor mehr als 100 Jahren die Beschaffenheit von Licht untersuchten. Viele erinnern sich heute fasziniert, andere mit Ratlosigkeit an das sogenannte Doppelspaltexperiment aus dem Physikunterricht: Licht erscheint hier entweder in Gestalt von Teilchen (Photonen) oder einer elektromagnetischen Welle - abhängig davon, welche Art der Beobachtung gewählt wird.
Tech Mahindra GmbH NL Berlin
Dieser Artikel erschien in IT&Production 1 (Februar) 2024 - 07.02.24.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com